Ich habe am 21.September beim 20. Jubiläum des Archiv der Jugendkulturen ein Grußwort halten dürfen. Hier könnt ihr es nachlesen.
Liebes Archiv, Liebe Gäste,
Das wichtigste zuerst: Alles beste zum Jubiläum!
Als das Archiv der Jugendkulturen vor 20 Jahren gegründet wurde kursierten viele Halbwahrheiten und Gerüchte über Jugendkulturen wie die Gothic Szene, Skater, HipHop oder Punk. Insbesondere wenn neue Szenen entstehen gibt es erstmal Unverständnis, allen voran von Erwachsenen. Wer googelt findet recht schnell hilfesuchende Eltern die von ihren Kindern sprechen die plötzlich „Emo-Punks“ sind „was auch immer das heißen soll“. In einem anderen Forum schreibt jemand über die neuen Freunde des Kindes die wohl Goths sind: „man liest doch soviel in den Zeitungen und sieht Sachen im Fernsehen. Muss ich mir Sorgen machen?“
Jugendkultur. Ein Wort, zusammengesetzt aus zweien, die Veränderung, Wandlung und Streitbarkeit unabhängig voneinander immanent haben. Akzeptanz im Jugendalter zu finden, seinen Platz in der Welt zu suchen und zu finden ist selbst im mainstream schwer. Ist man dann auch noch Teil einer Subkultur, es wird nicht leichter.
Umso wichtiger, dass das Archiv der Jugendkulturen seit 20 Jahren eine wertschätzende und erhaltende Auseinandersetzung leistet. Es gibt die Möglichkeit sich weiter zu bilden und somit ein tieferes Verständnis von Jugend- und Subkulturen zu bekommen. Jugendkultur hat immanent, dass sie vergänglich ist. Durch die Archivierung von diversen Materialien ermöglicht das Archiv eine differenzierte Auseinandersetzung und es kann ein Bild von Szenen gezeichnet werden, welches zum Zeitpunkt der Entstehung für viele gar nicht vollumfänglich sichtbar und greifbar war.
Das Archiv der Jugendkulturen ist viel mehr als nur ein Archiv. Hier wurde ein Raum geschaffen in dem die Begegnung und der Austausch von Menschen aus verschiedenen Szenen möglich ist. Mit Workshops, Vorträgen und Ausstellungen wird auch ein wichtiger Beitrag in der Jugend und Erwachsenenbildung geleistet. Grade in der aktuellen politischen Lage ist es wichtig, dass es – um nur ein Beispiel zu nennen – eine Wanderausstellung wie „Der z/weite Blick“ gibt, die einerseits auf Einfallstore für rechte Ideologien in den unterschiedlichen Kulturen hinweist und dafür sensibilisiert. Aber andererseits auch auf die verschiedenen Diskriminierungsformen innerhalb der Kulturen hinweist. Die Antisemitismus im Rap thematisiert. Die den Sexismus der „Influencer“-Szene auf YouTube und Instagram herausarbeitet. Oder Homo- und Transfeindlichkeit im Fußball aufzeigt. Und dabei gleichzeitig versucht Betroffene zu empowern, indem sie zum Beispiel auf Zusammenschlüsse innerhalb der Szenen hinweist und diese vorstellt.
Wobei Empowerment dort nicht aufhört. Jugendliche die selbst in einer marginalisierten Subkultur noch zusätzlich Diskrimierungserfahrungen innerhalb der Szene machen müssen werden von der Arbeit des Archivs darin bestärkt sich selbst zu akzeptieren wie sie sind und gleichzeitig ein Umfeld verdient zu haben, dass dies ebenso tut. Das Projekt Diversity-Box leistet hier zum Beispiel gute und wichtige Arbeit.
Ich möchte mich bei euch sehr herzlich für eure Arbeit bedanken. Der kulturelle und historische Wert im allgemeinen und der sehr persönliche Wert der durch eure Arbeit gewonnen werden kann ist schwer messbar. Es fällt mir auch schwer in Worte zu fassen welche Wichtigkeit ich persönlich dem Archiv zumesse. Ich schätze eure Arbeit so sehr, weil es wenig wertschätzende und fördernde Auseinandersetzung mit Jugendkultur gibt, die gleichzeitig kritisch begleitet ohne zu bevormunden. Die ehrlich und aufrichtig versucht zu verstehen und bewahrt.
Ich wünsche mir und uns allen, dass das Archiv der Jugendkulturen auch die nächsten 20 Jahre erfolgreich arbeiten und seine großartigen Projekte mit gleichem Elan und gleichem Enthusiasmus fortführen kann wie in der Vergangenheit.